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FIKUS

Livio Baumgartner

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5. April bis 13. April 2014

Programm

Vernissage: Freitag, 4. April, ab 19.00 Uhr mit anschliessendem Konzert
Gleichzeitig findet die Vernissage von Marion Ritzmann MOVING OBJECTS IN ROSE MADDER im Kunstraum Aarau 2.OG statt.

Öffnungszeiten

Do. 18-20 Uhr
Fr. 17-20 Uhr
Sa. und So. 13-16 Uhr

zur Ausstellung / Veranstaltung

Livio Baumgartner, geboren 1982 oder wie David Bowie sagt: Down in space it’s always 1982, The joke we always knew https://www.youtube.com/watch?v=z716iSG_KMc
Ums Millenium Ausbildung zum Dekorationsgestalter.
Ab 2004 Stiudium der Fotografie an der F+F und ZHdK
2013 Master of Fine Arts an der HKB
Konstruirt künstlerische wie auch kuratorische Denk-Landschaften und hört gerne Musik.
https://www.youtube.com/watch?v=GQgRqw_52Sk
lebt als Berner in Zürich, what else!

zum Künstler, zur Künstlerin

Website Livio Baumgartner

CV Livio Baumgartner

Ausstellungskritik

Livio Baumgartner

«Fikus»
Ausstellung vom 4. April bis 13. April 2014, Ausstellungsraum eg
Von Rafael Lippuner, 5. April 2014

Fici made me hardcore

Grau, wie man es auch kennt.
Ein Raum aus Beton und Stein, Plättli die abbrechen bevor sich ein Muster wirklich einstellen kann, wie eine umgelegte Küchenwand, braun und höchst rudimentär. Erinnerungen an verstaubte Bauverfahren lösen sich ab, kiemenartig abstehende Holzwände, gepresst, überall mischt sich die Farbe Russ mit ein, alles ist hier eingefroren, und doch herrscht niemals Ruhe.
Dieser Raum, das Erdgeschoss des Kunstraum Aarau, besteht augenscheinlich aus verschiedenen Zeiten. Zeiten, die auch Livio durchschreitet.

Zwischen dem abgeprallten Sonnenlicht zweier Altstadtgassen streckt er sich wie ein Gang, dessen Durchquerung einem einzigen hinüberdunkeln gleicht.

Es ist Tag des Aufbau (1).
Ungefüllte Bilderrahmen, halbabgelegte Hüllen, verworfene Folien und kalte Elektronik liegen brach, stehen für verschiedene Vorhaben. Noch ist unklar, welche Versprechen bis zum Tag X eingelöst und welche wieder von der Bühne verschwinden werden.
Livio denkt nach, er scheint in Stimmungen zu denken, überprüft die Passfähigkeit dessen, was er schon hat anlaufen lassen.

Irgendwo, inmitten der Felsen: ein Ästlein. Ein Stück Wachstum, befallen von der Ewigkeit, die einem solchen Zweiglein nur von einem Menschen der Leidenschaft empfindet, entgegengebracht wird. Es ist da, da liegt es, in handfester Naturelle, und doch handelt es sich um ein Abbild.
Zum Leben benötigt so ein Holz vor allem Licht und Wasser.
Licht, und Wasser. Der Rest kommt von alleine.
Diese einfache Erkenntnis ist die grosse Qualität, die sich an diesem Aufbautag bereits zeigt. Seine bildnerischen Arbeiten folgen dem gleichen Schema, sie kommen von selbst, sprich werden vor Ort gemalt, nachdem alles andere angedacht ist.

So streut Livio das Saatgut, seine Ideen, ins andauernde Dunkel. Er wartet, erwartet nicht, sondern beobachtet. Stein, dann Licht, Farbe, dann Wasser, dann Reflexion. Dies ist das Substrat, welches seine jungen Ideen ausblüten lässt und Wurzeln generiert, die bald schon den Stein freundlich umschlingen werden, als suchten sie Halt, wie frisch Verliebte.

Langsam beschleicht mich der Verdacht, dass Menschen mit Zimmerpflanzen sich diese nicht aus ästhetischen Gründen angeschafft haben, sondern als Vorwand benutzen, um täglich Licht und Wasser in ihre Stube dringen zu lassen.
Licht und Wasser lassen sich zwar begrenzen, nicht aber erziehen.
Eine Zimmerpflanze veranschaulicht diese kleinste Sehnsucht nach Unbändigkeit, nach einfachen und bewährten Konzepten wie Grün, nach unanschaulichem Wachstum. Selbst wenn die Pflanze nur ein unreiner Fleck inmitten der Steinwüste darstellt und in hoffnungsloser Unterzahl ein abgekartetes Spiel bestreitet: der Mensch hat sie dahin gebracht, und in dem Moment wo sie sich gegenüberstehen, Zimmerpflanze und Zimmermensch, besteht kein Zweifel, wer von den Beiden die exotischere Pflanze geworden ist.

Gut, jetzt bin ich möglicherweise etwas abgerutscht, der Interpretation´s Willen. In der Zwischenzeit montiert Livio an einer Pumpe herum. Das Plätschern des Lichts durch die geöffneten Fenster holt mich bald zurück. Ist es kalt hier drin?

Bemerkenswert, mit welcher Hingabe so ein Künstler einen Ausstellungsraum bewohnt, bloss für kurze Zeit während dem Einrichten, um danach eine Vielzahl fremder Menschen willkommen zu heissen in dieser persönlichen Angelegenheit, noch frisch triefend von den Hirnsalzen vergangener Entscheidungsfindungen.

Livio wird keine Wohnsituation herstellen, dessen bin ich mir sicher. Vielmehr ist er diesem Ort ein Berater, um ihm bei dessen Durchdringlichkeit zu helfen. Er wird die Zimmrigkeit aber erahnen lassen, ein Schlauch, der gleichsam auf die Menschwerdung und die Gefügigmachung der Natur hinweist, wenn auch nur durch dumpfe Schreie.

Die gute Stube Hohlerscher´ Rückeroberungsromantik, zumindest Ansatzweise.

Hier findet man keinen Platz, hier platzt es.

So ist es nur angebracht, die einstige Lebensader dieser Stadt, den Stadtbach, auf einen Sprung ebenfalls in die Ausstellung einzuladen. Anzapfen, statt nur vorbeizischen lassen.

Abzweigen zur Beschreitung neuer Hindernisse, so könnte die Aufgabe dieser Kunst lauten.

Auf die Intervention darf man also gespannt sein, denn sonst kommt man diesem Gewässer in ganz Aarau nur gewöhnlich nahe, nie aber kommt der Bach – quasi von selbst – derart nahe.
Das Wasser wird den anwesenden Pflanzen und den besuchenden Gästen sicherlich gut tun.
Es wird den Efeu, der aus vier Blumentöpfen wächst um sich seiner Umwelt zu bemächtigen, in seiner Unternehmung bestärken. Dieser Efeu, wie Livio mir verrät, sei seit einiger Zeit sein Begleiter, und bewuchert denselben Dachstock wie er. Er nährt ihn, auf dass die Pflanze eines Tages die Grenzen zwischen Topf und Zimmer müssig macht. Ein Langzeitprojekt, wie jede gute Beziehung eben.
Bleibt zu hoffen, dass der Efeu für Livio irgendwann Früchte trägt; für diesen Moment ist er Status Quo, oder eine weitere Position auf der Zeitachse zwischen zwei Lichtquellen.

Nach meinen Besuchen fühle ich mich angeregt, sowohl zum denken wie auch zum leben. Ich kann behaupten, dass die Ausstellung Fikus etwas bringt, obwohl dies gar nicht ihre Absicht ist.
Es handelt sich um einen Raum, den man so mal gesehen haben sollte.
Und falls sie zuhause eine solche Birkenfeige oder ähnliches Material stehen haben, sollten sie vielleicht mal mit ihm sprechen.

© Rafael Lippuner

Ausstellungskritik von Rafael Lippuner zur Ausstellung «Fikus» (PDF)

Bilder zur Ausstellung

Folgen nach Ausstellungsbeginn.

 

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