«FORMS THAT RATHER EXIST»
27. Juni bis 7 Juli 2013
Programm
Vernissage 27. Juni, 19 Uhr
mit Konzert «Benji Bonus»
Öffnungszeiten
Do. 18-22 Uhr
Fr. 17-22 Uhr
Sa. und So. 13-16 Uhr
zur Ausstellung / Veranstaltung
Für die zweite Ausstellung im «eg» haben wir den Künstler Rafael Lippuner eingeladen – ein Konzeptkünstler, der zwischen den Medien oszilliert und durch Gegenüberstellung Fragen zur Realität und Formalität stellt . Sein CV könnt ihr auf dieser Seite einsehen (scroll down).
Das «eg» behält sich vor einen Werbe- oder Pressetext der Ausstellung zu verfassen und möchte so gleich das Wort den eingeladenen Schreibenden überlassen. Der kritische Ausstellungsbericht zu «FORMS THAT RATHER EXIST» wird am 28. Juni 2013, einen Tag nach der Vernissage, online publiziert.
zum Künstler, zur Künstlerin
Ausstellungskritik
Rafael Lippuner
«FORMS THAT RATHER EXIST»
Ausstellung vom 27. Juni bis 7. Juli 2013, Ausstellungsraum eg
Von LUISE BAUMGARTNER, 28. Juni 2013
Rafael Lippuner hat sich viel vorgenommen: Er formuliert mit gestalterischen Medien eine Kritik der Form selbst – benutzt und gestaltet also Formen, während er gleichzeitig jeder Form oder Gestalt die Legitimation beziehungsweise die Wahrhaftigkeit prinzipiell abspricht. Das ist ein Paradoxon, welches sich nur durch eine konsequente, im eigentlichen Wortsinn essayistische Vorgehensweise auflösen oder zumindest umgehen lässt.
,Sein’ künstlerisches Ausdrucksmittel hat Lippuner folglich noch nicht gefunden und will es auch nicht finden (obwohl ihm die Kunst dann manchmal leichter fiele, bieten klar definierte Formate und Techniken doch eine gewisse Sicherheit im Schaffensprozess): Gerade das Scheitern am Material, die Unzulänglichkeit, die jedem Stoff und jeder Form eignet, reizen ihn. Der Moment, in dem die Grenzen eines bestimmtes Mediums offenbar werden und es nicht mehr als Vehikel des künstlerischen Gehalts funktioniert, repräsentiert hierbei die fundamentale Sinnkrise, die jede Person erfährt, wenn sie der Beschränktheit menschlichen Erkenntnis- und Ausdrucksvermögens gewahr wird.
Lippuners im eg gezeigte Kunst ist extrem selbstbezüglich; er betreibt hier eine Selbstreflexion, die natürlich eine gewisse Gefahr der Selbstauflösung (sowohl der Künstlerrolle als auch des Menschen dahinter) birgt. Diese Gefahr ist auch im Umstand begründet, dass Lippuner die Begriffe ,Form’, ,Norm’ und ,System’ mitunter gleichsetzt und sich mithin gewissermassen als künstlerischer Systemkritiker geriert – als Systemkritiker allerdings, der doch selbst Teil des Systems ist und unausweichlich bleiben wird.
Jede Form, scheint sie auch beliebig, ist durch irgendeine Grösse gestaltet: Das zeigen insbesondere die Transformation-Videos, in denen Lippuner (zwar schwarz verhüllt, aber trotzdem als Akteur gut sichtbar und in der ganzen Szene präsent), keiner ersichtlichen Gesetzmässigkeit folgend, einen schweren Lehmbrocken immer wieder zu Boden fallen lässt und somit dessen Form laufend verändert – was an Pollocks Dripping-Technik erinnert. (Ohnehin eröffnet Lippuners nur vordergründig argloser Gestus ein weites Feld von künstlerischen Zitaten und Querbezügen). Die Schwerkraft als natürliches Agens wird im Video Distanzmessungen visualisiert.
Lippuner negiert die (Augen-)Lust am Objekt zwar nicht, dafür sind seine Arbeiten konzeptionell viel zu verspielt; zu witzig und geistreich sind auch die materialästhetischen Verschiebungen, wie sie beispielsweise im Fall des überstilisierten Tobleronestücks (eine Assemblage von Schokolade und Gips) stattfinden. Wohl aber stemmt er sich gegen den Funktionalitätstopos, der gutem Design gemäss der klassischen Lehre inhärent ist. Besonders zugespitzt äussert sich diese Haltung Lippuners im goldbesprayten Ding namens Beautiful Shit (wobei hier möglicherweise einzuwenden wäre, dass dieser „schöne Scheiss“ doch eigentlich recht bequem aussieht und offenbar als Sitzgelegenheit auch stabiler ist, als er aussieht – also vielleicht doch gutes Design?). An der ,guten’ oder ,schönen’ Form kommt keiner so leicht vorbei, und es scheint, als taste unser Blick auch die banalsten und abstrusesten Gegenstände im Alltag und in der Kunst nach einem attraktiven Element ab, welches die Betrachtung lohnt. Diese Attraktivität erschöpft sich dabei nicht selten in der stofflichen Qualität eines Objekts und entsprechend schaut man sich Lippuners Werke zunächst mit gleichsam sinnlichem Vergnügen an, bevor man beginnt, ihrer vorgeblendeten Materialität zu misstrauen.
In einem Text mit dem Titel „Über die Suche nach der Formlosigkeit“, der wohl als eine Art Memorandum verstanden werden darf, referiert Lippuner auf so unterschiedliche Themengebiete wie Aggregatszustände oder imaginierte Urformen und bildet Metaphern aus dem Bereich der Astronomie, um ein Bild der Unendlichkeit zu zeichnen. Lippuner ist also kein medialer Spezialist und auch kein monothematischer Künstler, sondern er interessiert sich nach eigener Aussage für die Überschneidungen zwischen verschiedensten Disziplinen, darunter auch die Astrophysik und andere Sparten der Naturwissenschaften. Damit reiht er sich in einen hochaktuellen (und hochmodischen) Diskurs ein, der gerade an Kunsthochschulen momentan gerne propagiert wird: Transdisziplinarität und nicht zuletzt der Kontakt zu den Naturwissenschaften werden derzeit allenthalben zur Selbstvergewisserung bemüht.
Hier hätten wir es mit einer weiteren (Dé-)Formation zu tun, namentlich mit dem Zwang zu Professionalisierung und diskursiver Kompetenz, dem die KunststudentInnen heute zunehmend schon während der Ausbildung ausgesetzt sind. Aber dieser junge Künstler-Individualist wird sich auch einer solchen Vereinnahmung zu entziehen wissen.
© Luise Baumgartner
Ausstellungskritik von Luise Baumgartner (PDF)
Bilder zur Ausstellung
Vernissage Forms That Rather Exist