«my other memories»
Marc Hartmann
7. Juni bis 7. Juli 2013
Programm
Vernissage 7.Juni 19 Uhr
Einführung 19 Uhr 30 mit Patrizia Keller, Kunsthistorikerin
Kunstraumgespräch 13. Juni, 19 Uhr
«essen mit freunden» Teilnehmerzahl beschränkt. bitte anmelden per email: info@kunstraumaarau.ch
Öffnungszeiten
Do. 18-20 Uhr
Fr. 17-19 Uhr
Sa. und So. 13-16 Uhr
zur Ausstellung / Veranstaltung
Mit der Ausstellung «my other memories» thematisiert der Künstler seine eigenen Erinnerungen an den Kunstraum Aarau, aber auch die kollektive Erinnerung der unabhängigen Künstler- und Offspace-Szene, die besonders dann wieder als aktuelle Existenzgrundlage auflebt, wenn Fristtermine für Gesuchseingaben im kulturellen Bereich bevorstehen.
Marc Hartmann wagt den Schritt, von den bisher skulpturalen Objekten zu einer konzeptuellen und performativen künstlerischen Arbeit, die als Spiel mit dem System der finanziellen Förderung von Kunst verstanden werden kann. Die Funktion von Künstler und Kulturmanager werden auf ironische Weise durchleuchtet. «My other memories» kann nicht als eine konventionelle Ausstellung beschrieben werden, sondern muss vielmehr als eine künstlerische Performance betrachtet werden, bei der die Geldsuche eines unabhängigen Kunstbetriebs oder eines professionellen Künstlers dargestellt wird – eine Realityshow, der das Förderungssystem der deutschsprachigen Schweiz und die dazugehörige Gesuchstellung hinterfragt, testet und vorführt.
Die Nachfrage nach grösserem professionellem Management herrscht nicht nur im privatwirtschaftlichen Bereich der Kunst vor, sondern bestimmt sowohl die Organisationsweise von Kunstmuseen als auch die der kleinen unabhängigen künstlerischen Vereine und der Künstler/innen. Zum Beispiel müssen bei der Suche nach Fördergeldern, genaue Anforderungen erfüllt werden. So verweisen heutzutage bereits mehrere Stiftungen auf die zusammenfassende Anleitung Das perfekte Gesuch aus der Publikation Stiftungen von Elisa Dubach Bertoluzzi. Verständlich ist, dass wer Unterstützungsgelder im Kulturbereich einfordern möchte, ausweisen muss, dass sie oder er, neben eines hervorragenden Projektes oder Werks, auch Gelder kompetent einzusetzen weiss. Das Dossier mit Ausgangslage, Idee, Konzept, Beschreibung des Zielpublikums, Programm, Werbestrategie und die zusätzlich einzureichenden Dokumente, wie Rechnungen, Budgets und Finanzierungspläne stellen nur einen kleinen Teil der Prozedur einer Gesuchseingabe dar.
Die Marschroute beginnt bereits bei der Suche nach einem, dem eigenen Projekt oder Werk zutreffendem Förderungsziel einer Stiftung und dies kommt, insbesondere in der Deutschschweiz, eher einer statistischen Ermittlung gleich. Kulturfoerderung.ch hat die Suche zwar etwas vereinfacht, doch sind unter den 229 Stiftungen und Unterstützern des Kunstbereichs noch längst nicht alle Institutionen, die Fördergelder sprechen verzeichnet.
Das aktuelle Verfahren, das bei der „Jagd“ nach Förderern durchwandert werden muss, zeigt, dass bei den entsprechenden Instanzen nicht allein der Wunsch nach einem, den Kriterien der Kunst entsprechendem, förderungswürdigem Projekt oder Werk besteht, sondern vielmehr eine extraordinäre Professionalität verlangt, die über das Arbeitsgebiet der Künstler/innen hinausgeht. Die Bedeutsamkeit von Kunst ist heute nur schwer durch künstlerische Merkmale festzulegen, so dass andere Eigenschaften, vor allem Ökonomische und Organisatorische zur Prüfung herangezogen werden. Entweder besitzen oder erlernen KünstlerInnen die Fähigkeit der Selbstvermarktung oder aber sie wenden sich an eine/n Kulturmanager/in und spätestens ab hier verschiebt sich die Funktion des Künstlers zum Unternehmer.
Marc Hartmann stellt fest, dass er für die Anerkennung seiner künstlerischen Arbeit sich die Sprache des Unternehmers aneignen muss. Doch gehört diese Arbeitsweise tatsächlich zum Profil des Künstlers?
Seine Antwort darauf ist die Reinvestition des eigenen Künstlerhonorars – das ihm vom Kunstraum Aarau durch Unterstützung der öffentlichen Hand ausbezahlt wurde – in die temporäre Anstellung einer/eines Kulturmanagerin/ Kulturmanagers. Diese/r soll bei denselben Förderern, die den Künstler indirekt entlohnt haben, Gesuche für eine weitere Ausstellung desselben Künstlers im Kunstraum Aarau aufsetzen. Solange der, nach Stunden berechnete, Gehalt des Kulturmanagers gewährleistet ist, arbeitet dieser während der Öffnungszeiten des Kunstraum Aarau im Auftrag des Künstlers. Im Nebenraum liegen die Reste eines Apéro: Dreckiges Geschirr, offene Weinflaschen und vermutlich noch irgendwo eine ausgelöschte Zigarette, jemands der sich über das Rauchverbot hinweggesetzt hat. Es sind liegen gebliebene Erinnerungen einer ebenso, wie die Ausstellung, subventionierten Vernissage. Stellt sich nun die Frage, ob das förderungswürdige Apéro nicht selbst als Kunst gelten kann; wurde es doch mit Geldern für die Unterstützung der visuellen Kunst finanziert.
(Text: Sara Izzo)
zum Künstler, zur Künstlerin
Nach seiner zehnjährigen Tätigkeit als Koch zieht es Marc Hartmann von der kulinarischen in die visuelle Kunst. Seit 2009 studiert er freie Kunst an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Basel und konnte bereits an mehreren Ausstellungen mitwirken. Der Vorstand des Kunstraum Aarau wurde wiederholt auf den Künstler aufmerksam, insbesondere an den kantonalen Jahresausstellungen der letzten zwei Jahre im Aargauer Kunsthaus («Auswahl 11» und «Auswahl 12»). «Le socle pour le socle» (2012) gefiel aufgrund der Einfachheit und dennoch intensiven Vertiefung mit der Gattung Skulptur und seiner Präsentationsweise, während «NATURE’S FINEST» (2011, in Zusammenarbeit mit Philippe Hänger) Hartmanns noch vorhandenes Interesse am Thema rund ums Essen aufzeigte. Immer wieder tauchen in seinem Werk Nachbildungen oder echte Esswaren auf, doch sind es nicht nur diese, die ihn interessieren, sondern vielmehr der gesellschaftliche und rituelle Aspekt hinter diesem elementaren Vorgang des Essens. Wer weiss – vielleicht gibt es auch im Kunstraum etwas zu Essen.